Das Bild, das ich von einem japanischen Tempel im Kopf hatte, ist zen-buddhistische Ruhe und Meditation, Austerität und Ruhe. In Kyoto findet sich sicherlich ein solches Plätzchen, aber der Rummel, den ich in den großen Tempeln erlebt habe, spottet jeder Beschreibung. Schulklassen, Touristen, Fressbuden – alles wild durcheinander. Mir scheint, Zen besteht darin, dies alles mit unerschütterlicher Gelassenheit an sich vorbei ziehen zu lassen.
In Kyoto gibt es so viele Tempel und Schreine, dass ein ganzer Urlaub nicht für alle ausreicht – geschweige denn die zwei Tage, die wir dort waren. Dennoch haben wir neben Kinkaku-ji (schon gezeigt) noch Kiyomizu-dera und den Fushimi-Inari-Schrein gesehen. Alle drei sehr speziell und im Charakter völlig unterschiedlich.
Aber irgendwie ist immer Bergsteigen angesagt. Kiyomizu-dera liegt oben am Hang und setzt sich aus mehreren Tempeln und Schreinen zusammen. Wenn man den Berg auf einer Straße voll mit Andenkenläden und Naschereien erklommen hat, dann ergibt sich eine fantastische Sicht über Kyoto auf die Bergrücken hinter der Stadt. Der Tempel steht direkt über einem Steilhang, die Terrasse schwebt in dicken Holzbalken über dem Nichts.
Der Fushimi-Inari-Schrein erscheint mir weniger elitär. Der Tempel ist schnell erreicht, die Zugstation ist direkt vor der Tür. Aber erst danach geht die Pilgerreise los, durch einen wahren Tunnel von zehntausenden orangeroten Toren geht es über mehrere Kilometer im Wald den Berg hinauf – und auch wieder hinunter. Immer wieder stehen am Weg kleine Schreine. Die vielen Tore werden gespendet, Schilder geben an, von etwa 1500 bis 10.000 Euro reicht der Spielraum. Danach hat man aber ein individuelles Glücks-Torii aus Holz, bunt lackiert. Nur auf einer Seite sind sie beschriftet, mit Spendernamen und Wünschen, auf der anderen Seite sind nur zwei Zeichen zu sehen.
Bei dem ersten Torii-Tunnel ballen sich die Menschenmassen, aber je weiter es hinauf geht, desto stiller wird es. Die Torii werden kleiner, in kleinen Seitentälern sind viele in kleiner, handlicher Form an Wände und Skulpturen gelehnt, ein fröhliches Durcheinander. Der Wald mit seinen kleinen Quellen und feuchten Mauern ist ein Genuss an diesem heißen Tag. Der Fuchs, das Wahrzeichen des Schreins, linst listig als Statue aus jeder Ecke.
Am Nachmittag fahren wir noch nach Nara. Die Stadt war einst Metropole, heute ist sie – so scheint es – vorwiegend von zahlreichen Rehen bewohnt, die jeden anbetteln. Vor allem Menschen, die sich das dort überall angebotene Futter kaufen. Unser Ziel war Todai-ji. Einer der Tempel ist mit fast 50 Metern Höhe das größte Holzbauwerk der Erde. Er beherbergt einen ebenso gigantischen Buddha, dessen Dimensionen sich kaum richtig erfassen lassen.
Vor der Galerie noch ein Hinweis: hier geht’s zum ersten Teil von Kyoto Tempelwahn
Renate Zickenheimer meint
Du magst schon zwischen Menschenmassen dich durchgekämpft haben, die Ruhe die deine Bilder ausstrahlen sprechen eine andere Sprache, die mich mitnimmt.
Sylvia Knittel meint
Danke, liebe Renate! Es ist immer wieder erstaunlich, dass sich im größten Trubel Momente der Konzentration finden lassen. Einfach immer nur gelassen bleiben 😉