Qaqortoq, die Stadt mit dem unaussprechlichen Namen, war für uns eine Kurzvisite. Aber eine überraschend schöne, denn die Stadt mit ihren bunten Häusern ist charmant und der Abend hatte noch eine Überraschung für uns. Mitten im Sturmwind auf einem Berg zu stehen und einen grandiosen Sonnenuntergang zu erleben war schon sehr speziell. Übrigens: ausgesprochen werden die Qs wie harte Ks, also eigentlich ganz einfach, wenn man sich mal durch den Buchstabensalat gewühlt hat.
Dabei war der dreistündige Weg von Narsaq nach Qaqortoq mit unserer Puttut, der anfangs unter diesen blankgeputzten Schafwölkchenhimmel so angenehm war, plötzlich zu einer wilden Fahrt mit über das Deck spritzenden Wellen geworden. Für grönländische Verhältnisse wohl eher ein Witz, für mich grenzwertig. Aber meine Seekrankheit hatte ich ganz gut im Griff, Kaugummi sei Dank. Als wir dann nicht mehr gegen Wind und Wellen fuhren, wurde es auch gleich besser. Wir durchquerten die Fjorde und Inseln nach einem seltsamen Muster. Überall flachpolierte Granite mit Gras darauf, unten am Wasserrand der typische helle Streifen.
Dann kam der Leuchtturm von Qaqortoq in Sicht, gekrönt von verschneiten Bergen. Schneeberge über Meer ist für mich immer wieder ein atemberaubender Anblick. Dann die Stadt – ja es ist eine Stadt, mit dreitausend Einwohnern eine der größten in Grönland – wunderschön an den Berg geschmiegt und damit auch optisch ansprechend.
Wir verabschiedeten uns von unserer Puttut und dem wilden Jens, um die paar Stufen zu unserem Hotel hinaufzusteigen, das direkt über dem Hafen thronte. Ein Spaziergang zwischen den bunten Häusern war natürlich Pflicht, wir bewunderten ausgiebig die exquisiten Farbkombinationen inklusive knallelila.
Durch die geschützte Lage ist es hier sehr grün. Der Wind allerdings hatte eher noch zugenommen. Mal sehen, was das zum Sonnenuntergang geben sollte.
Alpenglühen
Stefans Idee war, hoch zum letzten Haus (dem blauen drei Bilder weiter oben) zu gehen und dann auf den Berg dahinter zu steigen, um die Perspektive auf die dahinter Richtung Osten liegenden hohen Berge zu haben. Gute Idee, eine der besten überhaupt, aber der pfeifende Wind machte den Aufstieg zu einer lustigen Angelegenheit. Bei jedem Schritt musste man aufpassen, nicht dann von einer Böe umgeweht zu werden, wenn man das eine Bein gerade in der Luft hatte.
Auf dem Gipfel war der Wind kaum auszuhalten, aber dahinter war es ein kleines bisschen besser. So konnte ich immerhin die Kamera halten und habe nicht jedes Bild verwackelt. Die Aussicht aber war atemberaubend, mir verschlug es den Atem! Was für ein Panorama!
Im Verlauf der nächsten Dreiviertelstunde wechselte das Licht häufig, von warm gelb beleuchtetem Vordergrund bis zu rosa-violettem Alpenglühen und den rosa angestrahlten Hügeln, die durch ihren Bewuchs in einer Art purpurbraun glühten.
Was für ein irres Licht in der verblasenen Landschaft! Das Titelbild ist entstanden, kurz bevor die Farben auf den Bergen verlöschten. In der Gegenrichtung war Feuer am Himmel. Hier der Blick in Richtung Qaqortoq mit einem der Seen, die auf dem Berg waren.
Im Dunkeln waren wir wieder zurück. Dann gab es das verdiente Gute-Nacht-Bier in der Bar. Vorher hatten Natascha und Stefan noch eine betrunkene Inuit aufgelesen, die vor ihren Augen einfach umgekippt war und die in ein Taxi nach Hause verfrachtet werden musste.
Kein Exkurs
An dieser Stelle könnte jetzt ein längerer Exkurs kommen, was passiert, wenn einem Volk eine andere Kultur übergestülpt wird. Und wenn noch hinzu kommt, dass unsere Perspektive auf die Dinge den Menschen die Lebensgrundlage und den Selbstwert raubt. Ich sage nur Robbenjagd. Eine so subsistente und Substanz schonende Form des Überlebens zu verbieten und zu verteufeln ist eine der Ursachen dessen, was wir an dem Abend in Qaqortoq gesehen haben. Wer mehr wissen will: Dieser Artikel in der NZZ https://www.nzz.ch/gesellschaft/robbenjagd-die-falschen-gutmenschen-ld.1292512 fasst es gut zusammen. Auch Robert Peroni, der Abenteurer aus Südtirol, der in den achtziger Jahren nach Grönland zog, schreibt sehr anschaulich darüber. Dabei hat dieses Land, haben diese Menschen mehr verdient.
Eine andere Dimension
Was ich in den Tagen in Grönland erlebt habe, hat derzeit merkwürdige Folgen. Nachts kommen die Bilder. Sie überschwemmen mich, wenn ich aufwache in der Nacht oder am Morgen. Und so bleibe ich immer noch eine Weile liegen, bevor ich mich aus den Fängen dieses gewaltigen bildströmenden Landes lösen kann und dem Tag in Deutschland in die Augen blicken kann. Alles ist größer und mit mehr Dimensionen versehen als in unserer kleinen Welt im winzigen Europa. Entfernungen werden nicht in Kilometern gemessen, sondern in einer mir unbekannten Maßeinheit, so kommt es mir vor. Immer wieder hatte ich in den Tagen unterwegs den Eindruck, alles gar nicht fassen können. Und so geben die Fotos nur einen kleinen Teil dessen wieder, was dieses Land ausmacht und was es so schön macht.
Die vorigen Beiträge mit den unglaublichen Eisbergen von Narsaq findet Ihr hier und hier. Im nächsten Beitrag reist Ihr mit mir 1000 Kilometer Richtung Norden über Nuuk nach Ilulissat, das etwa 300 Kilometer nördlich des Polarkreises liegt.
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