Gletscher hautnah zu erleben ist immer eine besondere Erfahrung, zumal wenn sie sich in steile Fjorde ergießen, wie das in Ostgrönland der Fall ist. Dabei gibt es Gletscher, die vom Icecap gespeist werden und solche, die mit dem Icecap keine Verbindung haben, so wie die Gletscher, die in den Sermiligaaq Fjord kalben. Das ist das Ziel für den Tag.
Startprobleme
Beim Start in Tasiilaq erwartet uns wunderbares Wetter. Am Morgen kann ich vom Roten Haus aus in den leichten Nebelschwaden zwei (!) Kreuzfahrtschiffe erkennen, die gerade im Fjord ankern. Das ist ein Schock, dachte ich doch bisher, dass man zumindest hier davon verschont bleibt. Die Leute werden in üblicher Manier ausgekippt an Land mit kleinen Booten und laufen dann durch Tasiilaq. Nun bietet der Ort nicht besonders viele touristische Attraktionen und ist auch überhaupt nicht darauf eingerichtet. Das übliche Kreuzfahrtklimbim fehlt.
Auf dem Weg den Berg hinunter in den Hafen zu unseren Booten kommen uns schon die ersten wieder entgegen, die sich lauthals bei den Neuangekommenen beschweren: „Hier gibts nichts, kannste knicken.“ Leichte Aggressionen steigen in mir hoch, aber ich denke bei mir: Eigentlich ist es doch gut so, seht zu, dass ihr hier wieder wegkommt. Was dann auch geschieht. Auch wir machen uns auf in zwei orangefarbenen Motorbooten des Roten Hauses. Wir, das sind eine supernette Wandergruppe von Hauser und drei ebenso nette Frauen, mit denen ich eine Tischgemeinschaft gebildet habe. Auf geht es in die fantastischen Fjorde gerahmt von steilen Granitbergen!
Ikateq – Bluie East 2
Ein großer Schrotthaufen ist unser erster Anlaufpunkt. Bluie East 2 ist der Name einer ehemaligen US Airbase, die 1942 während des ersten Weltkrieges im Ikateq-Fjord innerhalb kürzester Zeit aufgebaut wurde und 1947 ebenso schnell wieder verlassen wurde. Und zwar ohne etwas mitzunehmen. Bis heute rosten tausende von Öltonnen vor sich hin, stehen Laster in der Gegend herum, wild verbogene Streben lassen erahnen, das hier früher mal eine Halle stand. Eine gewisse morbide Faszination hat das ja schon.
Es gibt einen Plan, die rostigen Überbeibsel wegzuschaffen, was extrem aufwändig und teuer ist. Wie so vieles in Grönland. Die Wege sind einfach weit und die Mittel beschränkt. Es kursieren Gerüchte, dass es bald soweit ist. Dann ist auch diese historische Stelle von der Landkarte getilgt. Ich weiß noch nicht, wie ich das finden soll, ich schaue mir nicht gerne Schrottplätze an, aber der hier hat durchaus eine historische Bedeutung. Die Rolle Grönlands im Zweiten Weltkrieg war ja durchaus spannend, auch aus deutscher Sicht. Wer mehr lesen will, dem sei der englischsprachige Wikipedia-Artikel empfohlen.
Ein wildes Gepiepe macht mich neugierig. Ein Sandregenpfeifer führt einen merkwürdigen Tanz auf. Er benimmt sich wie ein verletztes Tier, lässt einen Flügel hängen und läuft dabei zielstrebig in eine Richtung. Damit will er mich wohl aus der Nähe seines Nests weglocken.
Nach einer Weile erkennt er wohl, dass ich keine Gefahr darstelle und beruhigt sich, so dass ich auch noch ein schönes Portrait von diesem hübschen Vogel fotografieren kann.
Die ganze Zeit schon macht mich der interessant geformte Eisberg im Fjord neugierig. Ich gehe über die Landebahn zurück ans Ufer und starte die Drohne.
Die Strecke vom Ufer zum Eisberg sieht so nah aus, es sind aber dann doch 1,5 Kilometer. So ist Grönland eben, in der klaren Luft verschätzt man sich schnell. Lohnenswert ist der Flug aber allemal. Es ist mal wieder interessant, wie sich die Wasserfarbe je nach Richtung des Lichteinfalls verändert – von blau zu türkis zu dunkelpetrol. Das Titelbild entsteht ebenfalls bei diesem Flug.
Türkisblaue Gletscherfront
Durch den Fjord geht es weiter bis ans Ende des Sermiligaaq Fjords, etwa 80 Kilometer entfernt von Tasiilaq. Er ist y-förmig, in ihn münden mehrere große Gletscher. Die beiden beeindruckendsten sind der Apuseeq (Knud-Rasmussen-Gletscher) und der Kaarale-Gletscher. Über stille Fjorde nähern wir uns zuerst dem Rasmussen Gletscher.
Was für ungeheuerliche Farben! Eine ganze Weile stehen wir am Ufer und lauschen dem Gluckern und Plätschern der schmelzenden Eisberge. Mit den Booten passieren wir dann die Gletscherfront von Nahem und blicken in blaue Spalten und auf türkis gemusterte steile Eiszähne. Gekrönt wird das Ganze von einem ungeheuer tiefblauen Himmel. Ein Fest der Fotografie! Wie immer: Ein Klick öffnet die Galerie in groß.
Das Eismeer des Kaarale-Gletschers
Als wir in den anderen Arm des Fjords biegen, breitet sich das Gletschermeer des Kaarale vor uns aus. Was für ein Anblick! Links und rechts fließen weitere Gletscher in den Fjord.
Hier kann man deutlich die Auswirkungen der globalen Erwärmung sehen. Früher war das alles eine sehr viel höhere Eisfläche, die Gletscher vereinigten sich zu einer einzigen Gletscherfront. Heute können wir mit dem Boot auf einer Felsinsel am Kaarale anlanden, die vor einigen Jahren noch komplett mit Eis bedeckt war. So zeigen es etwas ältere Karten. Freigelegt sind glatt geschliffene Granite in den abenteuerlichsten Farben und Mustern.
Die Drohne erlaubt mir an diesem Tag tolle Blicke auf den Gletscher. Trotzdem ist diese schiere Größe der Landschaft kaum in Fotografien zu fassen geschweige denn innerlich zu verarbeiten. Mit einem Freudestrahlen im Gesicht steige ich am Abend die Treppen zum Roten Haus hinauf.
Hier geht’s zum ersten Blogbeitrag über Ostgrönland.
Ulrike meint
Als wäre man dabei gewesen. Sehr sehr schön Sylvia
Sylvia Knittel meint
Danke Ulrike!
Hedwig Weerts meint
Faszinierend diese,deine Fotos anzuschauen.Wenn die Fotos schon so schön sind,wie mag es dann erst in Natura sein.Schön,dass du es erleben konntest.
Sylvia Knittel meint
Ja, liebe Hedwig, ich bin sehr glücklich, dass ich die grandiose Landschaft und die Menschen in Grönland erleben durfte.